Wie München sich einen Namen in der Quantentechnologie macht

Christopher Trummer, Managing Director des TUM Venture Lab Quantum, erklärt, warum Unternehmertum das Herzstück der Innovationsförderung ist.

Forward: Features sind unabhängige Beiträge, die für Mewburn Ellis geschrieben werden und Innovationen und Entdeckungen aus der Welt der Wissenschaft und des Unternehmertums diskutieren und feiern.

In seiner Rolle als Geschäftsführer des TUM Venture Lab Quantum adressiert sich in gewisser Weise selbst, oder zumindest sein früheres Ich. Mit einem Hintergrund in Physik, speziell der Quantenoptik und Nanotechnologie, fand er sich irgendwann mit einem Master-Abschluss wieder und überlegte, was er als Nächstes tun sollte.

„Ich beschloss, nur dann zu promovieren, wenn sich daraus die Möglichkeit ergäbe, ein Start-up zu gründen. Aber ich habe kein Thema gefunden, in dem ich eine echte Chance sah. Also wendete ich mich von der Physik ab und ging in die Welt der Beratung von Unternehmen und Start-ups. Damals gab es noch keine Unterstützungsstruktur, wie wir sie jetzt mit dem TUM Venture Lab Quantum haben.“

Das TUM Venture Lab Quantum ist eine gemeinsame Initiative der Technischen Universität München (TUM), die eine enorme Erfolgsbilanz bei unternehmerischen Aktivitäten vorweisen kann, und dem lokalen Entrepreneurship Center UnternehmerTUM – das größte seiner Art in Europa. „Entrepreneurship entwickelt sich an der TUM neben Lehre und Forschung zur dritten Säule“, sagt Trummer. Das TUM Venture Lab Quantum – eines von elf Zentren, die sich auf einzelne Technologiefelder konzentrieren – baut auf diesem Engagement auf.

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UnternehmerTUM: Center for Innovation & Business Creation (Credit: Astrid Eckert / TU Muenchen)

Das Venture-Lab-Projekt wurde im Jahr 2020 ins Leben gerufen, als sich UnternehmerTUM und TUM zusammensetzten und sich fragten: „Wie können wir das, was wir haben, verbessern und hier in München ein noch stärkeres Technologiezentrum für Start-ups schaffen?“ Dabei wurde schnell klar, dass direkte Ausgründungen aus der Wissenschaft noch ein besonderes großes, bisher wenig ausgeschöpftes Potential bieten. Also stellten sie sich die nächste naheliegende Frage: „Was brauchen wir, um das zu unterstützen?“ Die TUM Venture Labs waren das Ergebnis.

Orientiert nach Sektoren

Inzwischen wurden bisher elf Venture Labs eingerichtet, die Sektoren wie Gesundheitswesen, Chemie und Quantentechnologien abdecken. „Durch diese zielgerichtete Struktur“, so Trummer, „können wir unsere sektorspezifischen Inkubations- und Entrepreneurship-Programme wirklich ausbauen und Start-ups, Forschern und Studenten maßgeschneiderte Unterstützung anbieten.“

Das TUM Venture Lab Quantum ist Teil der Initiative Munich Quantum Valley, in der sich sieben große Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie eine Reihe von Industriepartnern zusammengeschlossen haben. Die Initiative wird von der Bundesregierung und dem Freistaat Bayern gefördert und hat das Ziel, ein Zentrum für Forschung und Entwicklung in der Quantenwissenschaft und -technologie zu schaffen. Sie soll München auch Zugang zu einem größeren Pool an Talenten verschaffen, die durch die wachsende Zahl von akademischen Stellen und Arbeitsmöglichkeiten angezogen werden.

Trummer ist der Ansicht, dass die Stärke des Systems nicht nur in diesen einzelnen Sektoren liegt, sondern es auch ein sehr starkes Netzwerk zwischen ihnen gibt. Er erklärt zum Beispiel: „Wenn wir ein Start-up haben, das auf dem Gebiet der Quantentechnologie arbeitet, aber der Anwendungsbereich im Gesundheitswesen oder im Bauwesen liegt, haben wir ein Lab, das die technische Seite unterstützen kann, und ein anderes Lab bringt sein Netzwerk für die Anwendungsseite des Start-ups mit ein. Wir sind wirklich ein Team.“

„Einer der großen Vorteile des Venture Labs“, sagt er, „ist, wo wir anfangen und wie weit wir die Teams bringen können. Der Prozess beginnt damit, proaktiv in die verschiedenen Studiengänge der TUM zu gehen und für das Lab zu werben, indem wir erklären, was wir tun, und den Studierenden und Forschern zeigen, dass es eine eigene Struktur gibt, die sie unterstützt. Speziell für die Quantentechnologie glaube ich nicht, dass dies in irgendeinem anderen Fachbereich der Physik oder sogar der Elektrotechnik auf der ganzen Welt geschieht – jemand, der sagt: ‚Hey, Unternehmertum ist auch etwas für euch.‘“

Der zweite Teil der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings des Labors ist speziell auf die unternehmerische Ausbildung ausgerichtet. So bringt beispielsweise das Quantum Entrepreneurship Laboratory Studenten der Wirtschaftswissenschaften, der Physik und der Informatik mit einem Partner aus der Wirtschaft zusammen, um an einer bestimmten Aufgabe im Bereich der Quanteninformatik zu arbeiten.

Die wichtigste Botschaft von Trummer lautet: „Wir sind von Anfang an dabei, um euch zu unterstützen. Ich freue mich immer sehr, wenn ich mit Leuten sprechen kann, die sagen: ‚Ich habe da vielleicht eine Idee, was meinst Du? Gibt es etwas, das wir daraus entwickeln können?‘ An diesem Punkt beginnen wir die Diskussion.“

Von diesem ersten Gespräch an kann das TUM Venture Lab Quantum die Teams bis zur Gründung unterstützen. Hierbei arbeitet es sehr eng mit UnternehmerTUM, dem Entrepreneurship Center, zusammen und nimmt Venture-Lab-Teams in seine Programme auf. Wo es Lücken gibt – etwa weil Quantenprodukte sehr lange Entwicklungszeiten haben können –, füllt es diese durch sein Ökosystem mit maßgeschneiderten Programmen oder Workshops zu relevanten Themen. „Wenn die Unternehmen erst einmal gegründet sind“, so Trummer, „bietet ihnen das Münchner Ökosystem alle Möglichkeiten.“

Förderung des Unternehmertums

„Im Idealfall geht die Initiative von den Forschern aus, aber das TUM Venture Lab Quantum richtet derzeit auch ein Workshop-Format ein, um Forschern und Wissenschaftlern dabei zu helfen, ihre Labortätigkeiten aufzuschlüsseln und zu verstehen, wie sie ihre Fähigkeiten und Technologien nutzen und daraus Geschäftsmodelle entwickeln können“, so Trummer.

Es gibt eine große Anzahl von Studierenden, vor allem solche, die kurz vor dem Ende ihrer Promotion stehen und sich nach neuen Möglichkeiten umsehen. „Und aus meiner Erfahrung heraus habe ich immer gedacht, dass die Aufgaben eines Physikers denen eines Unternehmers sehr ähnlich sind; man testet seine Hypothesen, man iteriert und erprobt kreative neue Ansätze. Aus meiner Sicht eignen sich Physiker also sehr gut als Unternehmer.“

Das Problem sei nur, dass die meisten von ihnen das noch nicht wüssten. „Deshalb ist es sehr wichtig, ihnen die ersten Schritte in diese Richtung zu zeigen. An dieser Stelle setzen wir an und erklären ihnen, dass es alle möglichen Unterstützungsstrukturen gibt, zum Beispiel Finanz- und Fördermittel der Regierung. Wir zeigen ihnen, wie wir sie unterstützen, und vermitteln ihnen die wichtigsten unternehmerischen Themen. Ist das Interesse erst einmal geweckt, brauchen wir gar nicht mehr so viel zu coachen, weil die Teams sehr schnell lernen. Die erste Phase der Orientierung ist wahrscheinlich der wichtigste Teil.“

Seit Trummer sein Amt im Mai 2021 angetreten hat, haben sich über zehn Teams dem Frühphasen-Inkubationsprogramm angeschlossen. Außerdem haben sich mehrere Studenten und Wissenschaftler an Trummer gewandt, um ihre Ideen für künftige Start-ups zu besprechen. „Das Interesse ist auf jeden Fall vorhanden“, sagt er. Die Dinge beginnen sich zu entwickeln.

Ein ausgereiftes und unterstützendes Ökosystem sei für diese und nachfolgende Start-ups extrem wichtig. Vor allem aus einem Grund: „Man braucht frühe Kunden, mit denen man beginnen kann, sein Produkt zu entwickeln. So haben wir in München zum Beispiel viele der deutschen DAX-Unternehmen sowie einige internationale Tech-Player. Viele von ihnen werden irgendwann im Bereich der Anwendung von Quantentechnologie tätig sein.“

Ein weiteres typisches Hindernis für die Entwicklung eines Start-ups in der Quantentechnologie sei die Infrastruktur, da der Bedarf an spezifischen Instrumenten sehr hoch sei. „Im TUM Venture Lab Quantum arbeiten wir daran, den Start-up-Teams den Zugang zu den verschiedenen Instrumenten zu ermöglichen, die wir hier in München haben – Reinraumeinrichtungen, Präzisionsmaschinen und Elektronikwerkstätten. Damit können sie von Anfang an Produkte nach Industriestandard entwickeln.“

Auf die Frage, was er sich für das TUM Venture Lab Quantum in den nächsten fünf Jahren erhofft, sagt Trummer: „Ich hoffe, dass die Menschen München als den richtigen Ort ansehen, wenn sie etwas aufbauen wollen. Ich würde mir wünschen, dass es einen kontinuierlichen Strom von Leuten gibt, die Unternehmen gründen, die auf Quantentechnologien oder auf der neuesten Forschung in der Physik basieren. Das ist das Bild, das mir vorschwebt.“ Er hegt auch den „pädagogischen Ehrgeiz“, dass „mehr oder weniger jeder Student, der die TUM verlässt, neben seinem wissenschaftlichen Hintergrund zumindest eine grundlegende unternehmerische Ausbildung hat“.

Hätte Trummer sein eigenes Angebot angenommen, als Masterstudent auf der Suche nach einem Weg nach vorn? „Ja, auf jeden Fall. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich zumindest mit der Person, die das Lab leitet, gesprochen hätte. Wer weiß, was dabei herausgekommen wäre?“

Aber zurück ins Hier und Jetzt. Während das Münchner Quanten-Ökosystem an Größe gewinnt, reicht es aus, dass er spürt: „Es ist eine tolle Zeit, Physiker zu sein. Die Chancen stehen gut, dass man mit einer cleveren Idee ein Unternehmen aufbauen kann. Ich hoffe, dass viele meiner Kollegen an der Universität die Chance ergreifen und es versuchen werden.“

Authors

Andrew Fearnside - September 2023 author

Andrew Fearnside

Andrew is a Senior Associate and Patent Attorney at Mewburn Ellis. He works primarily in the fields of telecoms, electronics and engineering, and specialises in quantum technologies, photonics and ion optics. Andrew has extensive experience of drafting and prosecution, global portfolio management and invention capture to secure a commercially valuable IP portfolio. He also conducts freedom to operate analyses and performs due diligence.

Email: andrew.fearnside@mewburn.com

Urs Ferber author

Urs Ferber

Urs hat Erfahrung mit dem Entwurf von Patenten und deren Verfolgung vor dem Europäischen Patentamt und dem Deutschen Patent- und Markenamt, hauptsächlich im Bereich Engineering und des Medizintechnologie-Sektors. Er vertritt regelmäßig Mandanten in Einspruchs- und Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt und dem Deutschen Patent- und Markenamt. Urs hat ein besonderes Interesse an Optik und Mikroskopie.

Email: urs.ferber@mewburn.com