Patentdokumente als technische Ressource

Was ist ein Patentdokument und warum kann es für Ihr F&E-Team nützlich sein?

Ein Patent verleiht seinem Inhaber ein geografisch und zeitlich begrenztes Monopol auf die im Patent definierten Erfindung. Im Gegenzug muss der Patentinhaber die Erfindung öffentlich machen und beschreiben, wie sie funktioniert. Diese Offenlegung erfolgt in Form eines „Patentdokuments". Dies kann eine Patentschrift oder eine Veröffentlichung einer Patentanmeldung sein. Mit der Veröffentlichung des Patentdokuments wird die Erfindung öffentlich zugänglich gemacht. Ein Patentdokument enthält somit eine schriftliche Aufzeichnung einer technischen Entwicklung.

Um in den meisten Ländern ein Patent zu erlangen, muss das Patentdokument eine Erfindung schützen, die zuvor nicht öffentlich bekannt gemacht wurde. Zum Zeitpunkt der Anmeldung des Patents sollte daher die technische Lehre, die in einem Patentdokument beansprucht wird, nicht in einem Lehrbuch oder einer ähnlichen Veröffentlichung zu finden sein. In technischen Bereichen, in denen Lehrbücher unüblich sind, gab es eventuell keine Veröffentlichungen der bisherigen Kenntnisse auf diesem Gebiet. Patentdokumente sind daher oft die einzigen öffentlichen schriftlichen Aufzeichnungen über technologische Entwicklungen.

Wenn ein Patentdokument auf Sie zurückgeht, ist es eine Aufzeichnung Ihrer eigenen Entwicklung. Gehört das Patentdokument einem Konkurrenten, so ist es eine Aufzeichnung seiner Entwicklungen. In beiden Fällen kann ein Patentdokument eine äußerst nützliche Ressource für ein Forschungs- und Entwicklungsteam sein.

Ein Patent oder eine Patentanmeldung ist nicht nur eine technische Beschreibung, sondern in erster Linie ein Rechtsdokument. Es wird mit Blick auf seinen rechtlichen Zweck erstellt: bestimmte Teile des Dokuments erfüllen bestimmte Funktionen und haben bestimmte rechtliche Wirkungen. Hier sollen diese Funktionen oder Wirkungen nicht vertieft werden. Die dem Aufbau des Patentdokuments zugrundeliegenden rechtlichen Überlegungen schmälern jedoch den Nutzen des Dokuments als technologische Quelle nicht.

Zwei kurze, aber wichtige Anmerkungen:

  1. Dieser Blog befasst sich nicht mit der rechtlichen Tragweite eines Patentdokuments, also was es „beansprucht" oder „schützt". Mit anderen Worten, es handelt sich nicht um einen Leitfaden zum Verständnis der rechtlichen Wirkung eines Patentdokuments. Dies ist etwas völlig anderes und ist in der Regel wesentlich komplizierter.
  2. Natürlich ist es das Ziel der Patentschrift, zumindest einen Teil der in der Patentschrift enthaltenen Informationen vor kommerzieller Nutzung zu schützen. Daher muss man bei einer kommerziellen Nutzung einer in einer Patentschrift beschriebenen technischen Lehre vorsichtig sein.

Ein großer Teil des Inhalts eines Patentdokuments richtet sich jedoch an den technischen Leser und könnte für diesen bei seiner eigenen Arbeit nützlich sein. Aber wie soll der Leser den technischen Inhalt eines Patentdokuments verstehen?

Der Aufbau eines Patentdokuments

Patentdokumente folgen in der Regel einem grundlegenden und weit verbreiteten Aufbau. Das Verständnis des Aufbaus ermöglicht es dem Leser, die technisch nützlichen Teile zu finden und dabei gleichzeitig zu vermeiden, dass er sich in Abschnitte vertieft, die aller Voraussicht nicht hilfreich sind.

Titel

Diese werden in der Regel (oft absurd) breit gefasst und sind selten informativ. Aus diesem Grund sollten Sie sich nicht auf die Titel von Patentdokumenten verlassen, um für Sie nützliche Dokumente zu identifizieren.

Zusammenfassung (Abstract)

Dieser Abschnitt dient in erster Linie der Suche nach Patentdokumenten und ist daher ein nützlicher Teil des Dokuments für die Suche nach relevanten Dokumenten. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Sie hier Informationen finden, die nicht an einer weiteren Stelle in dem Patentdokument stehen; oft sind die Informationen der Zusammenfassung an anderer Stelle deutlicher angegeben. Die Zusammenfassung ist daher für ein technisches Verständnis des Patentdokuments in der Regel von wenig Nutzen, abgesehen vom Auffinden des Patentdokuments.

Einführung

Dieser Abschnitt gibt den Rahmen für die nachfolgende Offenbarung der Erfindung vor. In diesem Abschnitt wird üblicherweise der technische Hintergrund der Erfindung dargelegt, einschließlich der relevanten Technologie, die vor der Einreichung der Patentanmeldung verfügbar war. In der Praxis ist die Einleitung in der Regel recht kurz und es wird wahrscheinlich nicht alles beschreiben, was vor der Patentanmeldung relevant war. Bei einem erteilten Patent kann die Einführung verglichen mit einer Anmeldung etwas umfassender sein. Allerdings weiß der informierte Leser meist mehr über das Technologiegebiet, als in der Einleitung beschrieben wird. Darüber hinaus werden in der Einleitung meist ein oder mehrere Probleme dargelegt, die mit der Erfindung gelöst werden sollen. Dies kann insofern nützlich sein, als Patentdokumente, die sich mit einem bestimmten Problem befassen, anhand dieses Abschnitts identifiziert werden können.

Allgemeine Beschreibung

In diesem Abschnitt wird die Erfindung in allgemeiner, oft verallgemeinerter Form beschrieben. In vielen Fällen spiegelt der Wortlaut die Formulierung in den „Ansprüchen" wider, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen werden. Viele Merkmale im Abschnitt „allgemeine Beschreibung" werden auch ausdrücklich als optional oder bevorzugt beschrieben. Alternative werden zumindest Formulierungen verwendet, die nahelegen, dass ein bestimmtes Merkmal für die Erfindung nicht wesentlich ist. In jedem Fall erhält man in diesem Abschnitt einen ersten Einblick in die Vorstellungen des Anmelders/Patentinhabers über die Erfindung (oder das, was sie war) sowie über zusätzliche Merkmale oder Weiterentwicklungen, die in die Erfindung aufgenommen werden können. Die Formulierung in diesem Abschnitt ist manchmal kompliziert, so dass auf den ersten Blick nicht zu verstehen ist, was die Erfindung sein soll.

Manchmal werden in diesem Abschnitt die angeblichen Vorteile oder Wirkungen der Erfindung beschrieben. Diese Informationen können für den Leser nützlich sein, insbesondere in Verbindung mit den Problemen, die im Abschnitt „Einleitung" behandelt werden.

Detaillierte Beschreibung & Zeichnungen

In diesen Abschnitten finden sich meist die nützlichen technischen Erklärungen. Hier findet der Leser eine konkrete Beschreibung mindestens eines Ausführungsbeispiels (oder „Ausführungsform") der Erfindung. Bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels wird in der Regel auf die Zeichnungen mittels Bezugszeichen Bezug genommen, die in den Zeichnungen und in der detaillierten Beschreibung identisch nummeriert sind. Falls erforderlich werden in diesem Abschnitt weiterführende Daten angegeben.

In der detaillierten Beschreibung wird das Beispiel in der Regel konkret und verständlich beschrieben. Die detaillierte Beschreibung ist folglich leichter zu verstehen als die anderen Abschnitte des Patentdokuments. Für die Verwendung des Patentdokuments als technische Beschreibung erweist sich dieser Abschnitt als am geeignetsten.

Es ist dabei wichtig zu beachten, dass die in diesem Abschnitt beschriebenen Methoden oder Systeme Beispiele für die Erfindung sind. Die spezifischen Beispiele sind selten die einzige Möglichkeit, die Erfindung zu implementieren, und stellen möglicherweise auch nicht die beste Art und Weise für die Implementierung der Erfindung dar.

Es kann auch vorkommen, dass der Leser eine ausführliche Beschreibung vorfindet, die eine Reihe von erfindungsgemäßen Anordnungen oder Merkmalen enthält, die aber für die Erfindung der betreffenden Patentschrift offensichtlich nicht relevant sind. Dies liegt daran, dass manchmal ein gemeinsamer Abschnitt der detaillierten Beschreibung für eine Reihe verschiedener Patentanmeldungen verwendet wird. Mit anderen Worten: Es wird eine einzige ausführliche Beschreibung erstellt, die ein kompliziertes Erzeugnis beschreibt, das eine Reihe von Erfindungen umfasst. Diese ausführliche Beschreibung wird in einer Reihe von verwandten, aber unterschiedlichen Anmeldungen verwendet. Jede Anmeldung in dieser Reihe konzentriert sich auf eine andere Erfindung des Erzeugnisses. Dies ist jedoch nicht relevant, wenn die ausführliche Beschreibung als Quelle für technische Erkenntnisse verwendet werden soll. Die Informationen in einer detaillierten Beschreibung sollten nach ihrem Nutzen für Ihr Entwicklungsteam beurteilt werden.

Ansprüche

Dies ist die Stelle, an der das Patentdokument am herausforderndsten ist. Glücklicherweise sind die Ansprüche bei der Verwendung eines Patentdokuments als technische Beschreibung nicht entscheidend und können oft ignoriert werden.

In den Ansprüchen versucht der Patentinhaber, die Grenzen der Erfindung oder den Gegenstand des Patents in Worten zu definieren. Das Ziel des Patentinhabers ist es, einen Anspruch von mit möglichst großer Breite zu bekommen. Die Formulierung der Ansprüche ist daher in der Regel bewusst so allgemein wie möglich gehalten. Aus diesem und anderen Gründen ist der Gegenstand, den ein Anspruch schützt (der „Umfang" des Anspruchs) allein aus dem Wortlaut des Anspruchs oft nur sehr schwer zu bestimmen. Dies macht die Beurteilung von Ansprüchen und deren Umfang kompliziert. Es bedeutet aber auch, dass ein klarer technischer Einblick in die Erfindung aus den Ansprüchen unwahrscheinlich ist. Dieser Einblick wird am besten aus den anderen Abschnitten des Patentdokuments gewonnen, beispielsweise aus der detaillierten Beschreibung.

Wie man beim Lesen eines Patentdokuments vorgeht

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, ein Patentdokument zu lesen. Nachdem man einige Patentdokumente gelesen hat, findet jeder seinen eigenen Weg. So gehe ich vor, wenn ich ein Patentdokument völlig unvorbereitet erhalte und es verstehen soll. Das ist nicht der einzige Weg - andere gehen anders vor. Ich konzentriere mich in der Regel auf die Ansprüche, aber beim Lesen zum Zweck des technischen Verständnisses konzentriere ich mich auf die detaillierte Beschreibung. Sie können dies als Ausgangspunkt nehmen oder Ihren eigenen Weg gehen.

  1. Lesen Sie die Einleitung und überfliegen Sie die Zeichnungen - was ist das technische Gebiet dieser Erfindung? Womit werde ich mich wahrscheinlich befassen? Waschstraßen? Parkhausanlagen? Regenwassersammler? Was ist das Problem, das die Erfindung lösen soll?
  2. Lesen Sie die Patentansprüche - jetzt, wo ich mich an der Einleitung und den Zeichnungen orientiere, was erwarte ich als Erfindung, wie sie in den Ansprüchen definiert ist? Was hält der Patentinhaber hier für neu und clever? Auf welche Merkmale sollte ich achten? Oft sind auch hier die Einleitung und die allgemeine Beschreibung nützlich
  3. Ich lese die detaillierte Beschreibung, während ich gleichzeitig die Zeichnungen vor mir liegen habe. Ich versuche, die schriftlichen Beispiele mit den Zeichnungen zu verknüpfen. Wie passt das Beispiel zum Wortlaut der Ansprüche? Welcher spezifische Teil des Beispiels entspricht welchem generischen Ausdruck in den Ansprüchen? In den Ansprüchen wird zum Beispiel „Abdeckungselement" verwendet. Ich habe zunächst keine Ahnung, was das für sich genommen bedeutet. In der detaillierten Beschreibung sehe ich, dass ein Beispiel für ein Abdeckungselement eine „Kappe" ist. Wenn ich die spezifischen Beispiele verstehe, kann ich auf das vom Patentinhaber gewollte Verständnis für den verallgemeinerten Begriff folgern.
  4. Jetzt lese ich die Ansprüche noch einmal, da mein Verständnis der Ausdrücke in den Ansprüchen auf der detaillierten Beschreibung basieren.

Wie sie sehen, lassen sich Patentdokumente in der Regel nicht so linear lesen wie ein Nachrichtenartikel oder eine Fachzeitschrift; es ist ein gewisses Hin und Her erforderlich. Mit ein wenig Übung lassen sich Patentdokumente jedoch relativ einfach lesen und verstehen. Der technische Einblick erfolgt in der Regel schnell.

Wo kann ich Patentdokumente finden, die für meine Branche relevant sind?

Auf diese Frage gibt es viele Antworten. Die verschiedenen Optionen unterscheiden sich in Bezug auf Benutzerfreundlichkeit, Vollständigkeit der Suche und Granularität der Suchparameter. Für wichtige Recherchen, bei denen man sich auf die Vollständigkeit der Suche verlassen muss, ist es immer ratsam, professionelle Recherchedienste in Anspruch zu nehmen. Es gibt jedoch auch leistungsstarke, kostenlose Suchmaschinen für Patentdokumente, die für einen ersten Überblick zur Verfügung stehen. Eine solche Suchmaschine ist Google Patents, die sich gut für den Anfang eignet. Aber auch das Deutsche Patent- und Markenamt sowie das Europäische Patentamt verfügen über frei zugängliche Datenbanken.

Daten

Daten und ihre Verwendung sind im Rahmen des Patentverfahrens sehr wichtig. Ohne hier ins Detail zu gehen, sind zwei Punkte im Zusammenhang mit diesem Blog erwähnenswert:

  1. Eine Patentanmeldung wird in der Regel etwa 18 Monate nach ihrer Einreichung oder ihrem „Prioritätsdatum" veröffentlicht, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt. Außerdem wird ein Patent im Allgemeinen erneut veröffentlicht, wenn es erteilt wird. Die Veröffentlichung der Erteilung kann mehrere Jahre nach der Erstellung, Einreichung und Veröffentlichung der vorangegangenen Patentanmeldung erfolgen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Sie ein Patentdokument sehen, das vor weniger als 18 Monaten verfasst wurde - oft liegt die erste Ausarbeitung viel länger zurück.
  2. Die Rechtsgültigkeit und der Umfang eines Patents werden im Allgemeinen ab dem Anmelde- oder Prioritätstag beurteilt, je nachdem, welcher Tag früher liegt. Außerdem ist es im Allgemeinen nicht möglich, einer Patentanmeldung oder einem Patent nach der Einreichung der Anmeldung weitere Merkmale oder Beschreibungen hinzuzufügen. Wenn Sie also ein Patentdokument lesen und überlegen, was darin beschrieben wird, sollten Sie nicht vergessen, dass das Patentdokument den Kenntnisstand am Anmelde- oder Prioritätstag angibt. Natürlich schließt das Alter der Information ihre Nützlichkeit nicht aus; technische Erkenntnisse haben nicht unbedingt eine nützliche Lebensdauer.

Abschließend haben wir Ihnen einen Einblick in Patentdokumente gegeben und wie sie als technische Ressource genutzt werden können. Mit etwas Übung sollte es relativ einfach sein, sich anhand frei zugänglicher Patentdokumente mit der technischen Arbeit Ihrer Konkurrenten oder mit Ihren eigenen historischen Entwicklungen vertraut zu machen.

Authors

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Dan Thornton

Dan is a Partner and Patent Attorney at Mewburn Ellis. He works on all aspects of the patent application process in the mechanical, electronics, and engineering sectors. This includes patent drafting and prosecution. Dan is also experienced in providing freedom to operate opinions and the freedom to operate process.

Email: dan.thornton@mewburn.com

Urs Ferber author

Urs Ferber

Urs hat Erfahrung mit dem Entwurf von Patenten und deren Verfolgung vor dem Europäischen Patentamt und dem Deutschen Patent- und Markenamt, hauptsächlich im Bereich Engineering und des Medizintechnologie-Sektors. Er vertritt regelmäßig Mandanten in Einspruchs- und Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt und dem Deutschen Patent- und Markenamt. Urs hat ein besonderes Interesse an Optik und Mikroskopie.

Email: urs.ferber@mewburn.com